Heute werde ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern wie mein Welpe Samu mit Frust umgeht und wie ich ihn dabei unterstütze einen adäquaten Umgang mit Frust zu finden.
Bevor ich aber loslege, erst noch ein paar grundsätzliche Dinge zum Thema Frust.
Was ist Frust überhaupt? Wie entsteht Frust? Und warum ist es so wichtig, dass Ihr Welpe von Anfang an lernt mit Frust umzugehen?
Frustrationstoleranz - hier lohnt sich das Investment!
Frust ist das was sich einstellt, wenn der Hund seine Bedürfnisse, seine Erwartungen oder seinen Willen nicht erfüllt bekommt oder er sein Ziel nicht schnell genug erreicht.
Frustrationstoleranz gehört nicht zu den Fähigkeiten, die dem Hund angeboren sind. Er muss erst lernen mit frustrierenden Situationen umzugehen bzw. lernen Frust über einen längeren Zeitraum auszuhalten. Von einer niedrigen Frustrationstoleranz spricht man, wenn der Hund sehr schnell Frust empfindet und auch schlecht mit dem Frust umgehen kann. Eine hohe Frustrationstoleranz ist das genaue Gegenteil. Sie als Hundehalter können Ihren Welpen gut unterstützen, dass er einen adäquaten Umgang mit Frust lernen kann. Versprochen, das Ganze ist auch für Sie von Vorteil!
Warum?
Stellen Sie sich vor, Sie gehen in die Stadt, treffen dort zufällig eine gute Freundin und bleiben mit Ihrem Hund für einen kurzen Small talk mit Ihrer Freundin stehen. Doch er - er hat absolut keinen Bock. Er will jetzt weiter. Geht aber nicht, denn Sie sind schon mitten drin im Gespräch. Ihr Hund empfindet nun Frust. Wir gehen nun davon aus, dass er mit diesem Frust nicht adäquat umgehen kann. Er wird unruhig und macht sich lautstark bemerkbar. Eine unangenehme Situation. Alle gucken schon. Automatisch werden Sie nun auch angespannt. Nehmen wir an Sie versuchen das Gespräch schnellstmöglich zu beenden um aus dieser unangenehmen Situation zu entkommen. Gut für den Hund, blöd für Sie. Denn in diesem Fall wäre Ihr Hund durch das Frust schieben an sein Ziel gelangt. Die Lernerfahrung wird natürlich direkt abgespeichert. Dieses Verhalten lohnt sich. Sie laufen weiter, da kommt Ihnen eine Dame mit Hund entgegen. Sie wollen weiter, Ihr Hund nicht. Der will zu diesem anderen Hund, koste es was es wolle. Er zieht an der Leine und teilt durch den ein oder anderen „Beller“ seinen großen Unmut mit.
Okay ich glaube es ist klar geworden, so ein „Hans-Frusti“ will wohl kein Hundehalter. Die gute Nachricht? Sie haben es ein großes Stück weit in der Hand, dass ihr Hund lernt Frust besser auszuhalten und mit Frust-Situationen besser umgehen zu können.
Mein Erfahrungsbericht: Frust schieben. Frust aushalten. Frustrationstoleranz erhöhen
Angefangen hat alles ein paar Tage nach dem Einzug von Samu. War er anfangs eher damit beschäftigt die Lage abzuchecken und uns kennen und einschätzen zu lernen, taute er selbstverständlich mit zunehmender Sicherheit immer mehr auf. Stück für Stück zeigte er so mehr an Verhalten. Schnell war auch erkennbar, Samu hat ein größeres Thema mit Frust. Wollte er nicht Autofahren und musste dabei auch noch getrennt von uns sitzen, dann kommunizierte er dies lautstark. Keinen Bock auf chillen im Haus, sondern lieber Action und raus? Warum eigentlich nicht dann einfach mal ein Affenzirkus veranstalten. Und wenn das mit der Essenslieferung noch nicht so schnell und zuverlässig klappt, dann eben äußern, dass es ruhig schneller gehen könnte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Samu zu Beginn jede Kleinigkeit die nicht nach seinem Kopf lief, sofort mit einem Hauch von Frustration beantwortete. Und wenn wir über die Intensität sprechen, die er dabei walten ließ, dann ist „der Hauch einer Frustration“ selbstverständlich eher ironisch gemeint. Diese Erregung, mit der er auch zum jetzigen Zeitpunkt einfach noch nicht adäquat umgehen kann, zeigt sich durch Lautäußerungen, eine größere Bewegungsaktivität und nicht selten durch „leichteres Beißen“ in die Hände. Wohin nur mit diesem Ganzen Frust und der aufgestauten Energie?
Mein Welpe Samu ist ein weißer Schäferhund, genetisch bedingt, neigt diese Rasse eher dazu schneller und intensiver Frust zu empfinden als manch andere Rasse. Das heißt für mich, besonders Engagement bei diesem Thema. Denn langfristig gesehen ist das weder für Samu noch für mich eine tolle Sache. Denn es bedeutet für beide Seiten Stress. Klar, Frust gehört zum Leben dazu und mir geht es auch nicht darum den Frust abzuschalten. Vielmehr geht es mir darum, Samu zu unterstützen einen angemessenen Umgang mit seinem Frust zu finden.
Sie steht auf. Wo geht sie denn jetzt hin? Sie geht in die Küche. Es raschelt. Das ist doch meine Futtertüte. Futter? Wieso dauert das denn so lang? Ey, verdammt ich habe echt Hunger. Kann die nicht mal ein bisschen Gas geben? Ich halt das nicht mehr aus.
Jetzt ist der Zeitpunkt an dem sich der Frust bemerkbar macht. Samu tut sich sehr schwer, diesen Frust zu ertragen und er weiß nicht wo er mit dieser Energie hin soll. Er hüpft und springt und tut. Ein oder zwei Beller untermalen diese tolle Aktion noch zusätzlich. Jetzt muss er aushalten lernen. Konkret, ich zögere seinen Frust bewusst in die Länge und gebe keinesfalls nach. Vor allem nicht dann, wenn er gerade so hochfrustriertes Verhalten zeigt. Ein paar mal habe ich die Futterzubereitung einfach beendet und mich kurz auf mein Sofa gesessen. Ich mache dann irgendetwas, das überhaupt nichts mit Samu zu tun hat. Ich entziehe also meine Aufmerksamkeit und fokussiere mich anderweitig. Verwundert blickt er mich dann an, wird aber definitiv ruhiger. Dieser Moment, wenn er sich dann hinlegt und entspannt, genau dann mache ich mich wieder auf den Weg und widme mich der Futterzubereitung. Samu soll lernen, dass er mit diesen Verhaltensweisen des „immensen-Frust-schiebens“ nicht an sein Ziel kommt. Er soll lernen den Frust zu ertragen aber auch soll er überlegen dürfen, welche Verhaltensweisen ihn letztendlich näher an sein Ziel bringen. Eine Verhaltensweise die mir da spontan in den Kopf schießt ist Ruhe. Ruhe wird von mir grundsätzlich gerne bestätigt.
Mir ist langweilig, mal schauen ob ich hier jemand zum spielen oder kuscheln bewegen kann. Langweiliger Laden. Mal ein bisschen aufmischen hier. Die reagiert nicht, ich glaub ich muss deutlicher werden.
Und zack, sind die Milchzähne in engem Kontakt mit meiner Hand. Er möchte jetzt Aufmerksamkeit und Action erleben. JETZT und nicht später. Samu ergreift die Initiative, er handelt. Wie heißt es so schön die Hoffnung stirbt zuletzt und vielleicht bringt ja die ein oder andere Verhaltensweise den gewünschten Erfolg. Klar probieren kann er es ja einmal. Aber ich habe nicht immer Zeit mit ihm zu spielen und ganz davon abgesehen, möchte ich ihm auch nicht vermitteln, dass wann immer er spielen möchte, auch gespielt wird. Das zu verstehen fällt ihm noch sehr schwer. In diesen Situationen frustet Samu enorm. Und je erregter er natürlich ist, ist es für mich auch eine Herausforderung, die richtige Kommunikation zu finden. Hier ist wirklich Feingefühl gefragt. Einerseits Ruhe, anderseits Klarheit. Ich probiere hier immer wieder verschiedene Dinge aus und beobachte dann Samu´s Folgeverhalten. Wird er ruhiger oder steigert er sich noch mehr in die Situation rein?
Auch reagiert Samu auf mein Verhalten nicht immer gleich. Je nach Tag, nach Situation, nach persönlicher Verfassung reagiert er unterschiedlich auf meine Aktionen. Viel läuft hier einfach auch aus dem Bauch heraus. Abhängig von der jeweiligen Situation, lass ich dieses „leichte beißen“ auch einfach mal umkommentiert im Raum stehen, vorausgesetzt es ist so ein kurzes Abreagieren und er wendet sich dann ab. Einfach weil ich in dem Moment entscheide, dass dies jetzt nicht wichtig in unserem Gespräch ist. Denn solche Situationen können sich eben auch schnell mal hochschaukeln. Ich dem Motto "jeder will das letzte Wort haben". Wenn Samu extrem hochdreht und sich schwer tut selber zur Ruhe zu kommen, nehme ich ihn und tu ihn in seine Box. Schwer zu glauben, aber darin entspannt er relativ schnell und schläft nicht selten innerhalb einer Minute ein. Wenn seine Zähne wieder mal den Weg zu meiner Hand finden, funktioniert es mittlerweile auch ganz gut wenn ich ein deutliches „Nein“ ausspreche und mich dann von ihm wegdrehe. Er geht dann seinen eigenen Weg - legt sich irgendwo hin oder beschäftigt sich selber.
Wieso muss ich jetzt hier sein und sie steht 10 Meter von mir entfernt und quatscht mit ner Freundin? Geht´s eigentlich noch. Ich will auch da hin. Ich häng mich mal ein bisschen in die Leine, vielleicht reist die ja. Klappt nicht. Ich lauf mal hin und her, vielleicht sieht sie mich ja dann. Auch nicht. Ich bell mal, dass muss sie ja dann mal hören.
Engagement das sich lohnt? Sollte es nicht. Weil wenn es sich für Samu lohnt wird er dieses Verhalten natürlich öfters zeigen, denn was zum Erfolg führt, wird natürlich schnell gelernt. Jetzt heißt es aushalten.
Für ihn aber auch für mich. Auch hier reagierte Samu anfangs mit lautstarken mitteilen von Unmut aber auch mit einem gesteigertem Bewegungniveau. Natürlich ist eine derartige Situation Stress für ihn. Aber besser er lernt jetzt schon frühzeitig mit gewissen Stresssituationen umzugehen und wird dadurch langfristig gesehen stressresistenter. In solchen Situationen heißt es für mich einfach abwarten und Tee trinken. Und zwar solange warten, bis Samu zur Ruhe kommt. Diese Übung baue ich auch ganz bewusst immer mal wieder in Spaziergänge ein. Ich binde Samu an eine Parkbank oder einen Baum und gehe ein paar Schritte von ihm weg. Ein paar Minuten genügen mir hier. Ich warte nur bis er ruhig ist und gehe dann auch sofort wieder zu ihm hin.
Und heute? Welche Entwicklung hat Samu in Sachen Frustrationstoleranz gemacht? Ich muss sagen, er hat in den 7 Wochen schon echte Fortschritte gemacht hat. In einigen Situationen kann er schon deutlich besser mit Frust umgehen und auch die Zeiträume wie lang Samu Frust ertragen kann haben sich schon deutlich verlängert.
Hat er während Autofahrten anfangs richtig Tumult gemacht, verlaufen diese jetzt schon völlig ruhig. Wenn Samu die gewünschte Aufmerksamkeit nicht ergattern kann, reagiert er schon deutlich weniger intensiv. Auch vor der Fütterung kann er jetzt schon schneller wieder zur Ruhe kommen, bevor es dann Essen gibt. Wenn ich ihn kurz an eine Parkband binde und mich ein wenig entferne, läuft das immer öfter ganz ohne Aufstand seinerseits ab. Aber selbstverständlich haben wir hier noch einen Weg und auch ordentlich Arbeit vor uns, denn das Thema „Frustrationstoleranz erhöhen“ ist noch lang nicht abgeschlossen. Zum Beispiel auch mal kurz bei mir dranzubleiben und sich nicht gleich Alternativen der Beschäftigung zu suchen oder aktiv auf Erkundungstour zu gehen ist noch ein Thema an dem ich mit ihm arbeiten möchte.
Wie ich seinen Frust kommentiere? Egal wie ich auf Samu reagiere, mir ist immer ganz wichtig das Folgeverhalten von ihm zu beobachten. Das ist eines der Schlüssel wenn es darum geht, Verhalten zu formen. Wenn er selber aus so einer Situation "rausgeht", die für ihn Frust bedeutet oder wenn er sich aus einer Frustsituation „rausholen“ lässt und anschließend ruhiger wird - ist das definitiv ein Erfolgserlebnis. Bedeutet im Umkehrschluss, dass meine Kommunikation wirkungsvoll war - also bei ihm, wie gesendet auch angekommen ist.
Samu lernt einen Umgang mit seinem Frust zu finden, seinen Frust länger auszuhalten und er lernt aber auch, dass gewisse Verhaltensweisen zum Erfolg führen. Kleine Schritte sind hier völlig normal und Gold wert. Ein Frusti wie Samu zeigt Frust ja auf verschiedenen Ebenen, bei der Fütterung, beim Streicheln, beim Warten, bei allem was eben nicht oder nicht schnell genug erreicht wird. Da findet keine einmalige Situation statt, die ihm vermittelt, dass wenn Frust aufkommt, er immer nach "Schema F" mit dieser Enttäuschung umzugehen hat. Es ist vielmehr ein Prozess für Samu und auch mich. Frust schieben, Frust aushalten, mit dem Fokus die Frustrationstoleranz Stück für Stück zu erhöhen. Daher heißt es auch weiterhin dranbleiben…..